Nur 26 Prozent aller Westdeutschen im Alter von 18 bis 26 Jahren interessieren sich für Politik. Ist diese Annahme tatsächlich wahr? Entfremdet sich unsere Gesellschaft immer mehr von einer politischen Partizipation, die doch eine fundamentale Basis für die Demokratie bildet? Genau dieser Frage wollten wir Schülerinnen und Schüler des Literaturkurses mit unserem Theaterstück auf den Grund gehen. Corona hat zwar die Aufführung verhindert, aber das Stück als solches war trotzdem fertig. Deswegen wollen wir nun über die Homepage Einblick in die Arbeit geben:
Dass Politik vielen als ein in sich verzweigtes Mysterium erscheint, ist nicht zu bestreiten. So entsteht vielerorts ein Mangel, überhaupt Interesse für Politik aufzubauen. Dem Statistischen Bundesamts ließ sich entnehmen, dass die Wahlbeteiligung im Jahr 2009 bei nur rund 70,8 Prozent lag. 2014 waren nur 4 Prozent aller Deutschen Mitglieder einer politischen Partei. Wieso werden wir Jugendlichen von der Gesellschaft als politisch desinteressiert deklariert?
Ausgangspunkt unseres Stücks war, Politik genauer zu analysieren, wie sie sich uns in der Realität und den Medien offenbart. Uns fiel auf, wie komplex die hierarchisch aufgebaute Staatsstruktur ist, und unser demokratisches System manchmal einem Urwald gleicht. Da gibt es mächtige große Tiere an der Spitze und eine große Zahl an fiesen Viechern, die zwar ganz klein sind, aber in der Masse unglaublich nerven. Doch unser Stück soll einen Blick auf Politik aus vielseitigen Perspektiven ermöglichen. Im Zentrum steht jedoch die Wahrnehmung der Jugendlichen. Ist es nicht ironisch, dass gerade die „politisch nicht-engagierte Jugend“ zu einem Appell zur notwendigen politischen Partizipation aufruft?
Dass die Jugendlichen in ihrem politischen Interesse und Engagement unterschätzt werden, zeigen die Entwicklungen um die Bewegung „Fridays for Future“. Uns trieb die Frage um, was die Jugend wirklich bewegt, und wie, wenn nicht durch aktive Teilnahme an Politik, aufkommende Missstände bekämpft werden können. Unsere Schwerpunkte lagen auf Diskriminierung und Rassismus auf der einen Seite, und Umweltschutz und Klimawandel auf der anderen. Diese Missstände sind für unser Theaterstück von sehr großer Bedeutung. Wir haben versucht, zu ergründen, wie diese Übel ihren Anfang nahmen und sahen Schatten der Vergangenheit aufziehen wie die Menschenverachtung des Nationalsozialismus oder mögliche Zukunftsvisionen erscheinen, die eine vom Klimawandel zerstörte und ausgerottete Welt veranschaulichen, in der es nicht einmal mehr möglich sein könnte, dass eine Oma für ihre Enkel Kekse backen könnte. Diese Ideen haben wir in Szenen verwandelt.
Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass Menschen des öffentlichen Lebens zur Zielscheibe unserer Kritik wurden. Neben komödiantisch parodierten Politikern wurden auch einseitige Berichterstattung und nicht zuletzt wir Bürger auf unsere Verschuldung an der fehlenden politischen Partizipation aufmerksam gemacht. Wir haben in der Arbeit gelernt, dass man sich zuallererst in Selbstkritik üben sollte, bevor man andere für Missstände verantwortlich macht. Anstatt sich somit zu beklagen, dass Politiker einmal wieder wie ein Haufen Tiere über sich herfallen, mehr Probleme schaffen, als lösen, sollte man bedenken, dass es in der Hand eines Jeden liegt, Abhilfe für diese Umstände zu schaffen:
Wir haben die Möglichkeit, zur Wahl zu gehen, wir können uns in einer Partei politisch engagieren und wir können uns ein eigenes Bild von der Politik machen, anstatt uns auf unseriöse Berichterstattungen zu verlassen, und wir selbst entscheiden, wie viel Fleisch wir essen, oder ob die Frau mit Kopftuch ihren Arbeitsplatz antreten darf.
Es liegt somit auf der Hand, dass uns das Stück, trotz der Tatsache, dass wir es nicht aufführen können, sehr viel bedeutet. Im Rahmen dieser Inszenierung haben wir nicht nur unsere schauspielerischen Fähigkeiten mithilfe unserer renommierten Literaturkursleiterin Frau Levkau schulen können, sondern auch mehr über unser eigenes politisches Wesen herausgefunden. Wir haben Parteisitzungen verfolgt, in der Vergangenheit gekramt, Eltern ausgefragt, stets auf der Suche nach dem, was uns eigentlich ausmacht, und welche Position wir selbst in der politischen Debatte beziehen.
Um die Erkenntnis bereichert, mussten wir manchmal niedergeschlagen herausfinden, dass nicht Politiker, Medien oder gar die vorigen Generationen die Schuldigen an unserer heutigen Situation sind. Wir alle, die auf dem Planeten leben, tragen dazu bei, wie der Alltag gestaltet wird, hieß die ernüchternde Antwort. So waren wir am Anfang noch ganz erpicht darauf, die Jugend als geheime Helden und Vorbild im Theaterstück aufleben zu lassen, was jedoch kurzerhand über Bord geschmissen wurde. Auch wir Jugendliche tragen zum Glück wie auch zum Unglück unserer Gegenwart bei.
Die positive Erkenntnis war jedoch, dass dies im Umkehrschluss bedeutet, dass auch die Macht bei uns liegt. Wir können etwas bewirken, gar verändern. So ist es keine Lüge, wenn ich sage, dass wir als Teilnehmer des Literaturkurses, unser Verständnis von Politik und das Interesse an ihr erweitert haben. Durch die Zusammenarbeit gestärkt, wurden wir zu mehr politischem Engagement inspiriert.
Das wäre jedoch nicht möglich, wenn wir als Gruppe nicht so eng zusammengewachsen wären. Der Literaturkurs ist somit eine wirkliche Bereicherung. Vor allem durch die von Frau Levkau organisierten Kurstreffen wuchsen wir zu einer echten Theaterfamilie zusammen und lernten aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören und sogar nachzugeben, wenn die Mehrheit sich für eine Richtung entschied, in die das Stück gehen sollte. Während wir über mögliche Themen unseres Stückes philosophierten und über politische Angelegenheiten debattierten, mutierten wir selbst zu kleinen Politikern und lernten Achtung vor den Herausforderungen, die solch ein Beruf mit sich bringt.
Eine einheitliche Konfliktlösung oder politisches Verfahren zu entwickeln, ist eben genauso schwer, wie alle Kursteilnehmer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Parallel zur Erschaffung der Texte und Szenen, Lieder, Choreographien für das Theaterstück haben auch wir uns weiterentwickelt und unsere soziale Kompetenz und kreative Ader ausbauen können.
Wir alle haben unseren individuellen Teil zum Theaterstück beigetragen und konnten so etwas ins Leben rufen, das hoffentlich noch über Jahre hinweg bestehen und Menschen inspirieren kann. Gerade solchen, die die Macht des Wortes unterschätzen, wollten wir zu verstehen geben, wie wichtig die Bedeutung von gesprochener Sprache ist, besonders wenn sie verpackt in einer schönen dramaturgischen Theaterinszenierung daherkommt.
Wir hätten euch „Welcome to the Jungle“ sehr gern vorgespielt. Um euch dennoch einen Einblick zu geben, haben wir neben diesem Artikel anbei Audioaufnahmen einzelner Szenen und eine Fotocollage zum Thema „Politik ist …“ vorbereitet – viel Spaß damit!