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„Verantwortung, aber keine Schuld?“ – Podiumsdiskussion zur Erinnerung des Holocaust im deutsch-niederländischen Vergleich

Erstellt von Dr. M. Kleine  |     

Am 20. November fand in der Aula eine bemerkenswerte Podiumsdiskussion statt, die der Nachbereitung der Exkursion der 10. Klassen zur Gedenkstätte Westerbork in den Niederlanden gewidmet war. Im Rahmen des „Couragetags“ hatten die Schülerinnen und Schüler kurz vor den Sommerferien den Ort des ehemaligen „Durchgangslagers“ besucht, die Ausstellung erkundet und eindrückliche Erfahrungen gesammelt. Ziel der Veranstaltung war es nun, diese Eindrücke im Kontext der deutsch-niederländischen Erinnerungskultur zu reflektieren. Für das Podium konnte dabei eine hochkarätige Expertenrunde gewonnen werden: Stefan Querl, Antisemitismus- beauftragter der Stadt Münster und Leiter der Gedenkstätte Villa ten Hompel, sein Vorgänger Dr. Christoph Spieker und der Geschichtsdidaktiker Dr. Martin Schlutow von der Universität Münster.

Die Schülerinnen und Schüler nahmen in der Veranstaltung eine tragende Rolle ein. Sie stellten nicht nur die Referenten vor, sondern leiteten auch die Diskussion mit vorbereiteten Fragen. Für den Auftakt hatten sie die sehr herausfordernde Frage nach der Schuld ihrer eigenen Generation gewählt. In seiner Antwort verwies Christoph Spieker zunächst darauf, dass natürlich kein heute lebender junger Mensch schuldig im Sinne einer Tatbeteiligung sei, aber in dieser Frage generell die Perspektive der Opfer eine entscheidende sei. Im Folgenden wurde dann der Begriff der Verantwortung in den Mittelpunkt gerückt. Diese nämlich sollte jede und jeder Einzelne übernehmen und alle nachfolgenden Generationen in Deutschland stünden immer wieder vor der Herausforderung, ihre Rolle dabei für sich zu reflektieren. Stefan Querl betonte in diesem Zusammenhang, dass die Stadt Münster zum Beispiel aufgrund der geografischen Nähe zu Westerbork in der Verantwortung stehe, die Erinnerung an das ehemalige „Durchgangslager“ wachzuhalten, von dem aus vor allem Jüdinnen und Juden – unter ihnen auch Anne Frank – in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert worden waren. Aber die Verantwortung, so Querl, bestehe auch darin, sich aktuellen Herausforderungen zu stellen. So müsse auch heute die Demokratie gegen rechtsextremistische Bestrebungen verteidigt werden und man sollte sich für aktuell bedrohte Minderheiten einzusetzen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion lag auf den unterschiedlichen Ansätzen der Erinnerungsarbeit. Thematisiert wurden etwa berühmte Erinnerungsorte wie das Holocaust-Mahnmal in Berlin oder Daten der deutschen Geschichte, die sich erinnerungspolitisch anbieten. Eines war dem Podium dabei besonders wichtig: Pädagogische Erinnerungsarbeit müsse die Schülerinnen und Schüler berühren. Es reiche nicht aus, nur museal zu informieren und kognitiv herauszufordern, sondern die ganze Person sollte in den Prozess involviert werden. Insgesamt, so das Fazit, sei Erinnerungsarbeit immer dann erfolgreich, wenn Menschen miteinander ins Gespräch kämen, und nicht, wenn sie nur konfrontiert würden oder das Gedenken als ritualisiert empfänden.

Die Podiumsdiskussion machte eindrucksvoll deutlich, dass das Erinnern nicht nur ein Blick in die Vergangenheit ist, sondern eine Aufgabe für die Gegenwart und Zukunft. Verantwortung übernehmen heißt, aktiv gegen Unrecht und Ausgrenzung vorzugehen und gleichzeitig die Lehren der Geschichte lebendig zu halten.

Mit dieser Veranstaltung setzte das Paulinum ein starkes Zeichen für ein aktives und reflektiertes Gedenken, das auch künftige Generationen zu kritischem Denken und gesellschaftlichem Engagement anregen soll.

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