An der großen Teilchenbeschleunigeranlage CERN in Genf gehen Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt grundlegenden Fragen der Physik nach: Was ist Materie? Wie hat sich das Universum entwickelt? Dazu lassen die Forscher:innen Atomkerne mit hohen Geschwindigkeiten aufeinanderprallen und zerlegen sie in ihre elementaren Bestandteile. Vermessen werden diese Materie-Bausteine mithilfe großer Teilchendetektoren. Der ALICE-Detektor misst die Teilchen, die bei der Kollision von Blei-Ionen entstehen – 900 Millionen Teilchen pro Sekunde. Eines der Forschungsziele ist es, den Zustand von Materie kurz nach dem Urknall verstehen zu lernen.
Wie der 26 Meter lange und 16 Meter hohe ALICE-Detektor funktioniert, erfahren zurzeit 16 Physik-interessierte Jugendliche und Studierende aus ganz Deutschland in einem Online-Kurs, in dem sie den Teilchendetektor nachbauen, maßstäblich und mit Lego-Bausteinen. Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleiten das Projekt, in dem die Teilnehmer:innen seit Januar 2021 in wöchentlichen digitalen Workshops das Modell mit Konstruktionsprogrammen entwerfen. Ende Juni soll es in Frankfurt und Münster seinen Höhepunkt beim Zusammenbau des Legomodells erreichen.
Aus Münster nimmt der Physik-Leistungskursschüler Leonard Müller-Glunz teil und hat nach eigenen Abgaben bisher bereits fast 100 Stunden Arbeitszeit investiert. Auf die Frage, warum er das neben dem Abitur macht, antwortet er, dass dies eine spannende Möglichkeit sei, noch mehr über Teilchenphysik zu erfahren und dass er schon immer großen Spaß am Legobau hatte. Sein Interesse an Teilchenphysik besteht schon länger, weshalb er sich im Netzwerk Teilchenwelt engagiert und mit seinem Mitschüler Felix Kampert sogar schon an einem CERN-Workshop teilnahm, welcher aufgrund der Pandemie nicht vor Ort in Genf, aber online durchgeführt wurde. Seit Januar trifft sich Leonard jede Woche in ca. 2-3-stündigen Meetings und zusätzlich 1-2 Stunden am Samstag zum Austausch in seiner Kleingruppe. Dabei war es zunächst so, dass alle Teilnehmer:innen Vorentwürfe zu den inneren ALICE-Detektoren erstellten und dann jeweils der beste Entwurf zur Weiterarbeit ausgewählt wurde. Seine Gruppe entwarf z.B. das ausgewählte Inner Tracking System (ITS), welches in seinem Entwurf zu sehen ist (siehe Foto). Im Anschluss wurden kleinere Baugruppen gebildet, von denen jeweils zwei einen Teildetektor nach diesem Vorbild fertigstellten.
Das fertige Lego-Modell wird im üblichen Lego-Maßstab 1:45 gebaut, in dem ein Mensch etwa der Größe eines Lego-Männchens entspricht. Insgesamt wird der Detektor aus mehr als 16.000 Teilen bestehen. Zur Information: Das bisher größte Lego-Modell ist das Colosseum, welches aus etwa 9000 Teilen besteht.
Besonders gespannt ist Leonard auf das erste reale Treffen Ende Juni, an dem das Modell zweimal (parallel in Münster und Frankfurt) aufgebaut wird. Es wird dann in naher Zukunft auch am Paulinum für eine Zeit zur Ansicht ausgestellt.