Im Jahr 2024 gab es gleich zwei bedeutende Jubiläen in der deutschen Parlamentsgeschichte: 175 Jahre erstes gesamtdeutsches Parlament in der Frankfurter Paulskirche und 75 Jahre Deutscher Bundestag. Aus diesem Anlass hatte der Bundestag auf Initiative der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas Schülerinnen und Schüler in ganz Deutschland dazu aufgerufen, sich auf eine „parlamentarische Spurensuche" zu begeben.
Pauliner Schülerinnen und Schüler engagierten sich dabei schon in der Entwicklung der Aufgaben für den „Bundeswettbewerb der politischen Bildung“. So testete die damalige 9d über mehrere Wochen in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestags und den Aufgabenentwicklern von der Bundeszentrale für politische Bildung das vorgeschlagene Format auf Herz und Nieren. Neben Recherchen zu dem politischen und historischen Hintergrund der Jahre 1848/49 und 1949 und zu Personen aus Münster und Umgebung, die in den Parlamenten vertreten waren, stand auch ein Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Herrn Dr. Nacke auf dem Programm. Wichtiges Ziel war die Beantwortung der Frage: Welche Bedeutung haben die beiden Parlamente eigentlich für uns heute noch?
Nach der erfolgreichen Testphase hieß es dann: Der Wettbewerb kann starten. An diesem beteiligten sich im letzten Schuljahr die beiden Zusatzkurse des Fachs Geschichte und konnten die Jury mit vielen interessanten Ergebnissen überzeugen, die in Form von Padlets im Internet präsentiert und jüngst mit Geld- und Buchpreisen ausgezeichnet und im Deutschen Bundestag an einer digitalen Informationsstele ausgestellt wurden!
Anknüpfend an die Arbeit der jüngeren Testforscher:innen recherchierten unsere Q2-Schüler:innen sowohl in Archivalien des Stadtarchivs und der ehemaligen Nationalversammlung, als auch in der Schulchronik von Lassalle et al. und anderer Sekundärliteratur und durchforsteten das Internet nach Spuren. Ihre umfangreichen Forschungen förderten viele Wissenswertes zu den jeweiligen Wahlen, den Münsteraner Abgeordneten und ihren Zielen sowie der Verfassung und der Rolle der Grundrechte zutage.
Ein besonderes Highlight war dabei die Erkenntnis, dass das Parlament in der Paulskirche unmittelbar mit der Geschichte des Paulinum zusammenhängt, denn sämtliche Münsteraner Abgeordnete der Paulskirche waren ehemalige Pauliner: Matthias Aulike, Joseph Brockhausen, Carl Johann D’ham, Wilhelm Junkmann, Paulus Melchers, Johann Georg Müller, Eduard Schrakamp, Friedrich Bernhard Thüssing und Albert von Hartkamp. Die überwiegende Mehrheit dieser Abgeordneten war gemäßigt konservativ und preußenkritisch eingestellt. Sie traten mehrheitlich für eine konstitutionelle Monarchie und eine großdeutsche Lösung (Deutschland mit Preußen und Österreich) ein. Die meisten waren fraktionslos, positionierten sich aber im rechten oder linken politischen Zentrum der Paulskirche. Im ersten deutschen Parlament nach dem Zweiten Weltkrieg waren dann nur noch vier Abgeordnete aus Münster vertreten und unter ihnen keine Pauliner.
Neben der spannenden Forschungsarbeit arbeiteten die Kurse auch praktisch: So säuberten die Schülerinnen und Schüler die schulnahen Stolpersteine und organisierten eine Podiumsdiskussion mit der Münsteraner Bundestagsabgeordneten Frau Klein-Schmeink, die über die Bedeutung der beiden Parlamente heute und aktuelle Herausforderungen der Demokratie diskutierte.
Bezogen auf das Gesamtprojekt kamen die Kurse zu dem Fazit, dass das Jubiläum sowohl ein Anlass zum Feiern als auch zum Nachdenken ist. Feiern sollten wir, da wir all die Rückschläge auf dem Weg zur Demokratie überwunden haben und in den letzten 75 Jahren durch die Erfolge und Errungenschaften des Parlamentarismus eine wehrhafte Demokratie geworden sind. Nachdenken sollten wir über verschiedene aktuelle Bedrohungen der Demokratie.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für die Unterstützung und gratulieren herzlich zum Wettbewerbserfolg!